
PATTAYA, Thailand – Jahrzehntelang galt Thailand als unangefochtenes Tourismus-Zentrum Südostasiens. Städte wie Bangkok lockten mit Tempeln und Streetfood, Inseln wie Phuket und Pattaya bedienten Reisende aller Klassen – vom Rucksacktouristen bis zum Luxustouristen und Rentner. Doch im Jahr 2025 zeichnet sich eine neue Realität ab: Thailand könnte seinen Spitzenplatz verlieren – und Pattaya ist ein Spiegel dieses Wandels.
2019 empfing Thailand beeindruckende 40 Millionen ausländische Touristen. Pattaya spielte dabei eine zentrale Rolle mit seinem Strandleben, dem Nachtleben und der bezahlbaren Infrastruktur. Heute peilt die thailändische Tourismusbehörde (TAT) für 2025 zwar 35,5 Millionen Besucher an – doch selbst diese Zahl scheint angesichts aktueller Entwicklungen fraglich.
Laut Channel News Asia liegt Thailand mittlerweile hinter anderen Ländern: Malaysia verzeichnete 38 Millionen Besucher, Japan 36,9 Millionen. Thailand stagniert bei 35,5 Millionen – mit einem Rückgang von 3 % im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum Vorjahr.
Trotz der offiziellen Strategie „Qualität statt Quantität“, mit Fokus auf zahlungskräftige Touristen, zeigen sich erste Risse. Und Pattaya, einst Magnet für europäische und asiatische Besucher, kämpft mit der Umstellung.
Chinas Abwesenheit wiegt schwer
2019 kamen über 11 Millionen chinesische Touristen nach Thailand. In den ersten fünf Monaten 2025 waren es weniger als 2 Millionen – ein Rückgang selbst gegenüber 2024. Für Pattaya, wo chinesische Gruppen einst das Straßenbild prägten, ist das ein herber Verlust.
Analysten nennen verschiedene Gründe: Sicherheitsbedenken, verändertes Konsumverhalten – besonders in China – und fehlende Innovationen im thailändischen Tourismus. 2025 sei ein Wendepunkt, so die Experten. Statt auf ein unrealistisches 40-Millionen-Ziel zu schielen, müsse Thailand seine Strategie neu denken.
Erschwerend kommt hinzu: internationale Konflikte, wirtschaftliche Unsicherheit und sinkendes Konsumentenvertrauen erschweren selbst das Erreichen der 35,5 Millionen.
Ein Analyst bringt es auf den Punkt: „Man braucht kein Wunder, um 40 Millionen zu erreichen – sondern den Mut, die eigenen Stärken besser zu nutzen.“
Verlorenes Vertrauen
Ein schwerer Schlag für das Vertrauen chinesischer Reisender war Anfang 2025 der Fall des Schauspielers Wang Xing, der über Thailand in ein Betrugsnetzwerk in Myanmar gelockt wurde. Zuvor, 2023, wurde eine chinesische Touristin beim Amoklauf im Einkaufszentrum Siam Paragon getötet. Diese Vorfälle verunsichern besonders Gruppenreisende und Familien aus China.
Dazu kommen innenpolitische Unruhen, Grenzkonflikte mit Kambodscha und Berichte über Sprengsätze im Süden – alles Faktoren, die das Bild Thailands als sicheres Reiseziel beschädigen.
Strategiewechsel mit Fragezeichen
Thailand setzt nun verstärkt auf „Qualitätsreisende“: Langstreckenflüge, Sportevents, Kultur- und Ökotourismus. TAT-Chefin Thapanee Kiatphaibool verweist auf steigende Zahlen aus Ländern wie Deutschland, Italien, Großbritannien, Australien und dem Golfraum. Doch Experten warnen vor Überabhängigkeit von Nischenmärkten.
Auch der Vorstoß, Unterhaltungszonen mit Casinos zu legalisieren, sei riskant, so Dr. Pipat Luengnaruemitchai von der Kiatnakin Phatra Financial Group. Die sozialen Kosten könnten die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen.
Ein weiteres Problem: veraltete Infrastruktur. Die Ära der chinesischen Charterflüge scheint vorbei – doch neue Konzepte fehlen. Wer soll zurückkehren, wenn das Reiseerlebnis fast identisch zu vor zehn Jahren bleibt?
Und Pattaya?
Pattayas Imagewandel – von Wassersport und Festivals bis zur sanfteren Neupositionierung des Nachtlebens – zeigt Ansätze, wirkt aber planlos. Zu viel wird auf kurzfristige Maßnahmen wie Visa-Erleichterungen oder Influencer-Kampagnen gesetzt, statt in Sicherheit, Infrastruktur und Innovation zu investieren.
Die Association of Thai Travel Agents (ATTA) forderte im April Subventionen für 1.000 Flüge aus 20 chinesischen Städten. Auch Kooperationen mit Baidu und Kampagnen wie „Thailand Summer Blast“ oder „Sawadee Nihao“ sollen gezielt qualitätsbewusste Chinesen anlocken.
Doch wie Assoc. Prof. Dr. Krittinee Nattawutthisit von der Chulalongkorn University betont: „Die neue Generation chinesischer Reisender will keine Pauschalreisen im Reisebus – sie sucht authentische, greifbare Erlebnisse.“
Tourismus-Schlachtfeld Südostasien
Pattaya konkurriert nicht nur mit Phuket oder Bangkok – sondern mit Da Nang, Penang und Bali. Malaysia hat die visafreie Einreise für Chinesen um fünf Jahre verlängert, Vietnam baut E-Visa und Zugverbindungen aus. Thailands Visapolitik dagegen bleibt undurchsichtig.
Ein Experte fasst es so zusammen: „Es reicht nicht, nur die Tür aufzumachen – man muss auch verhindern, dass die Gäste gleich wieder woanders hingehen.“
ATTA hat die Umsatzerwartung für 2025 bereits von 69 auf 60 Milliarden Dollar gesenkt – wegen der fehlenden chinesischen Touristen. Die Botschaft: Kein Markt kann Thailand retten – aber auch keiner kann China ersetzen.
Und während der Slogan „Qualität statt Quantität“ gut klingt, fehlt es oft an konkreter Umsetzung. Höhere Preise müssen durch ein besseres Erlebnis gerechtfertigt werden – sonst bleiben Gäste fern.
Pattaya in der Identitätskrise
Soll die Stadt alten Zahlen hinterherlaufen – oder sich neu erfinden mit mehr Tiefe, Sicherheit und smarteren Ideen? Der Weg ist nicht einfach – aber auch nicht unmöglich.
Wenn Thailand auf Authentizität, Qualität und Innovation setzt, muss es keine 40 Millionen Gäste zählen. Sondern eine nachhaltige, stabile Branche aufbauen, die Gäste nicht nur lockt – sondern auch bindet.
Denn am Ende geht es nicht darum, wie viele kommen – sondern wer bleibt, wer zurückkehrt und was sie der Welt erzählen, wenn sie wieder abreisen.









