
WOCHENENDKOMMENTAR
PATTAYA, Thailand – Ein geleaktes Telefonat zwischen Thailands Premierministerin Paetongtarn Shinawatra und Kambodschas Alt-Premier Hun Sen hat eine Welle politischer Spekulationen ausgelöst – inklusive Gerüchten über einen bevorstehenden Militärputsch.
Senatspräsident Mongkol Surasajja hat inzwischen Beschwerden beim Verfassungsgericht sowie bei der nationalen Antikorruptionskommission eingereicht und wirft der Premierministerin Hochverrat sowie die Verletzung ihres Amtseids vor. Für die kommende Woche sind Anti-Regierungsproteste auf den Straßen Bangkoks angekündigt, während sich Anzeichen mehren, dass die Pheu-Thai-geführte Koalition ihre parlamentarische Mehrheit verlieren könnte.
Trotz der zugespitzten Lage sind die klassischen Voraussetzungen für einen Militärputsch derzeit nicht erfüllt. Die Militärübernahmen 2006 und 2014 folgten jeweils auf monatelange Massenproteste mit deutlicher öffentlicher Unterstützung. Derzeit ist unklar, ob die geplanten Demonstrationen überhaupt genug Teilnehmer mobilisieren können oder ob sie gewalttätig und langanhaltend sein werden.
Sollte Premierministerin Paetongtarn jedoch durch ein Gerichtsurteil abgesetzt werden oder selbst zurücktreten, könnten sich die Spannungen rasch auflösen. Die Wahl eines Nachfolgers dürfte zwar politisch kompliziert sein – es müsste nicht zwangsläufig jemand aus der Pheu Thai oder der aktuellen Koalition sein – aber entscheidend wäre, dass der oder die Neue einen nationalistischen Kurs gegenüber Kambodscha fährt und eng mit dem Militär zusammenarbeitet. Diese Linie ist nach dem umstrittenen Telefonat nahezu unumgänglich.
Zwar ist eine reguläre Parlamentswahl erst für 2027 angesetzt, sie könnte jedoch noch 2025 vorgezogen werden, falls die Regierung stürzt oder Paetongtarn ihr Amt freiwillig niederlegt. In diesem Fall würde Pheu Thai wohl eine Übergangsregierung stellen. Ein solcher parlamentarischer Neuanfang wäre allemal besser als das Verhängen des Kriegsrechts oder ein Putsch mit Militärdekreten.
Die Militärübernahmen in den Jahren 2006 und 2014 erfolgten in einer völlig anderen politischen Situation – ohne realistische Aussicht auf baldige Neuwahlen und weitgehend gewaltfrei. Die letzte Machtergreifung kam sogar ohne den Einsatz eines einzigen Panzers aus.
Thailands politisches Grundproblem bleibt die Polarisierung zwischen einer konservativen Elite und der populistischen Shinawatra-Dynastie. Doch beide Seiten haben in der Vergangenheit Kompromissbereitschaft gezeigt. Premierministerin Paetongtarn hat sich bemüht, sich beim Militär zu entschuldigen, und Armeechef General Pana Klaewplodthik hat zugesichert, „die nationale Souveränität mit den bestehenden Mechanismen“ zu wahren.
Obwohl Paetongtarns Tage im Amt gezählt sein dürften, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass ein weiterer Putsch bevorsteht. Möglich – ja. Aber noch vermeidbar.









