Nach Waffenstillstand setzt Kambodscha nun auf asymmetrische Kriegsführung

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Kambodschanische Zeitungen berichten über die neuesten Anschuldigungen gegen Thailand. (Foto: Courtesy of Flickr/Michael Coghlan)

Kambodscha, als militärisch deutlich schwächerer Akteur in den jüngsten Grenzkonflikten, greift zunehmend auf asymmetrische oder unkonventionelle Taktiken zurück. Während Kambodscha zwar effektiv chinesische Artillerie einsetzt, verfügt das Land weder über eine Luftwaffe noch über eine größere Armee. Das thailändische Militär operiert weitgehend unabhängig von zivilen Behörden und verfügt über ein Budget, das mehr als dreimal so hoch ist wie das des kleineren Nachbarn.



Die in Malaysia ratifizierte Waffenstillstandsvereinbarung ist ein notwendiger erster Schritt und überrascht in ihrem Umfang, so der Thammasat-Universitätsprofessor Thanapat Chatinakrob. Sie friert Truppenbewegungen ein, verbietet Angriffe auf Zivilisten und Infrastruktur und ermöglicht verschiedene humanitäre Maßnahmen. Doch es handelt sich hierbei lediglich um Verhaltensversprechen, während wesentliche strittige Punkte auf unbestimmte Zeit in der General Border Commission vertagt wurden.

Kambodscha verweigert sich bisher der Verpflichtung zum Abbau von Landminen, einem Ende von Online-Betrügereien und einer umfassenden Bekämpfung von Fake News. Im Gegenzug weigert sich Thailand, auf den Einsatz von Luftstreitkräften zu verzichten oder Stacheldraht aus bestimmten Grenzposten zu entfernen. Kambodscha baut weiterhin Gräben zur Verstärkung von Stützpunkten und verlegt schwere Artillerie. Boonsin Padklang, Kommandeur der zweiten Armee-Region Thailands, erklärte, dass menschliche Beobachtung, nicht nur Technologie, notwendig sei, um kambodschanische geheime Planungen zu erkennen.

Asymmetrische Kriegsführung bedeutet, öffentlich keine Waffen einzusetzen, zielt jedoch darauf ab, Vorteile zu erlangen oder die internationale Meinung zu beeinflussen. Kambodschanische Agenten sind beispielsweise geschickt darin, Fake News über angebliche thailändische Gräueltaten zu verbreiten, etwa über Giftgasangriffe auf Zivilisten oder Bombenangriffe auf Frauen und Kinder. Die thailändischen Behörden haben daraufhin verspätet einen Fake-News-Beauftragten ernannt, um die laufende Täuschung zu bekämpfen.

Die thailändische Armee findet zwei Antipersonenminen in einem Grenzgebiet.

Weitere von Kambodscha genutzte asymmetrische Strategien sind Behauptungen, Thailand verweigere den Rückzug von „kambodschanischen Tempeln“ oder dass thailändische Drohnen über kambodschanischen Schulen und Krankenhäusern schweben. Selbst die negative Körpersprache thailändischer Generäle bei Waffenstillstandstreffen wird genutzt, um mangelnde Kompromissbereitschaft zu demonstrieren. Phnom Penh versucht womöglich auch, Bangkok durch anonyme Provokationen an der Grenze zu einem präventiven Militäreinsatz zu verleiten.

 

Die Kernprobleme des Gesamtstreits bleiben ungelöst. Die Öffnung und Schließung von Grenzposten wurde im Waffenstillstandsabkommen nicht erwähnt, ebenso wenig wie die Überweisung des Streits durch Kambodscha an den Internationalen Gerichtshof, der ohnehin von vielen Staaten – auch den USA und China – nur akzeptiert wird, wenn die Urteile gefallen, die ihnen passen.

Der ASEAN-Vorsitzende Anwar Ibrahim erklärte, dass Satellitenüberwachung eingerichtet wurde, um die Kampfgebiete aus der Ferne zu beobachten. Diese Überwachung erfolgt durch Malaysias Verteidigungsattaché und ASEAN-Partner. Doch selbst das ist derzeit nicht vollständig möglich. Die thailändischen Telekommunikationsanbieter AIS und Thaicom verbessern die Kommunikationsnetze in kritischen Grenzregionen. Verbesserte 4G- und 5G-Netze sind essenziell, da viele umstrittene Gebiete kaum oder gar keinen Internetzugang für Satellitensysteme haben. Die Umsetzung erfordert jedoch enorme Investitionen, die in die Milliarden Baht gehen können.



Eine vollständige Lösung des Konflikts verlangt heute kaum vorstellbare Zugeständnisse: Thailand müsste internationale Schiedsgerichtsbarkeit akzeptieren und den Preah Vihear-Tempel sowie umliegende Gebiete abtreten, während Kambodscha andere unmarkierte Gebiete aufgeben und thailändische Karten als verbindlich anerkennen müsste. Die beste Hoffnung liegt in der Neutralität von ASEAN und dem Druck sowohl der USA als auch Chinas, um eine größere Eskalation der Gewalt zu verhindern. Wie Malaysias Innenminister Saifuddin Nasution sagte, ist „das Einfrieren des Streits“ der einzige realistische Ausweg.