Internationaler Gerichtshof bleibt zahnloser Tiger im Grenzstreit zwischen Thailand und Kambodscha

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Ein thailändischer Soldat sichert eine der umstrittenen Tempelanlagen an der Grenze.

DEN HAAG / PHNOM PENH / BANGKOK – Die kambodschanische Regierung hat ihre langjährigen Grenzstreitigkeiten mit Thailand nun offiziell vor den Internationalen Gerichtshof (IGH) in den Niederlanden gebracht. Doch Thailands Premierministerin Paetongtarn Shinawatra macht sich wenig Illusionen über die Wirkungskraft des UN-Gerichts: „Der IGH ist ein zahnloser Drache.“

Der 1945 durch die Charta der Vereinten Nationen ins Leben gerufene Gerichtshof hat keine eigenen Durchsetzungsmechanismen, keine internationale Polizei und ist auf die freiwillige Kooperation der betroffenen Staaten angewiesen. Kritiker werfen dem IGH seit Jahrzehnten Voreingenommenheit und politische Einflussnahme vor.



Laut thailändischen Juristen, die an der gescheiterten Konferenz in Phnom Penh am 14. und 15. Juni teilnahmen, erkennen aktuell 118 Länder die verpflichtende Zuständigkeit des IGH nicht an. Zu den bekanntesten Aussteigern zählen die USA seit 1986 (wegen des Nicaragua-Krieges) und Iran seit 1979 (nach der Geiselnahme in Teheran). Israel lehnt regelmäßig pro-palästinensische Urteile ab, und Australien verweigert seit 2002 IGH-Schiedsverfahren in maritimen Streitfragen. Ein russischer IGH-Richter bezeichnete das Gericht sogar als „gebrochenes Schwert“ oder „Papier-Tiger“.

Auch Thailand erkennt seit 1960 die verpflichtende Zuständigkeit des Gerichts nicht mehr an. Damit wurden frühere IGH-Urteile, insbesondere jene von 1962 und 2013 zur Übergabe der Tempelanlage Preah Vihear an Kambodscha, de facto entwertet. Schon 1962 hatte eine Minderheit der 12 internationalen Richter zugunsten Thailands votiert – wegen der Unklarheit und Mehrdeutigkeit der Grenzkarten aus der Kolonialzeit.


Ein neues Urteil des IGH wird voraussichtlich frühestens 2026 oder 2027 fallen – Konsequenzen sind kaum zu erwarten. Eine tatsächliche Lösung könne nur durch bilaterale Gespräche zwischen Kambodscha und Thailand erreicht werden. Derzeit liefern sich beide ASEAN-Nachbarn ein diplomatisches und wirtschaftliches Säbelrasseln mit gegenseitigen Drohgebärden.

Premierministerin Paetongtarn warnte inzwischen vor einer Eskalation durch den Einsatz schwerer Waffen in den umstrittenen Grenzregionen. Sie betonte: „Wenn es zu Kommunikationsstörungen kommt, haben wir niemals Gewalt provoziert oder innen- wie außenpolitisch aggressive Aussagen gemacht.“ Ihr Fazit: Nur ein gemeinsamer Rückzug der Truppen könne langfristig Frieden sichern.

Kambodschas Botschafterin in den Niederlanden, Kim Suor Sovannary, übergibt die Petition an den IGH.